ALEXANDROS KAROZAS
Wenn Kaváfis die alltägliche Erfahrung des vergeblichen Wartens auf Seeleute aufnimmt ("Das Gebet"),
lässt Karozas den Gesang volksliedhaften Linien folgen. Der Dichter erlaubt sich einen Heidenspaß,
wenn er die lächerlichen Vorbereitungen für die Ankunft der Barbaren schildert, um schließlich
festzustellen, dass sie gar nicht kommen: "Was denn soll nun aus uns werden ohne die Barbaren? /
Irgendeine Lösung waren diese Menschen." Der Komponist, der sein Wissen und seine Kunstfertigkeit in
tausende exakt vorgegebene Noten gesteckt hat, lässt das ungewöhnliche Duo Tuba und Gitarre
zwischendurch freudig improvisieren, bis nicht wenige Orchestermusiker vom breiten Grinsen des John
Sass angesteckt sind. Dem nicht des Griechischen mächtigen Teil des Konzerthaus-Publikums brachte
Bruno Ganz die Texte mit langem Atem näher. Die griechische Gemeinschaft in Wien jubelte am Sonntag –
zurecht - Giorgos Dalaras zu, der an diesem Abend einen weiteren Beweis seiner Vielseitigkeit ablieferte.
Dirigent, Chor, Orchester und Solisten hatten sich den lang anhaltenden Beifall ebenso verdient wie der
Komponist den stehenden Applaus. Alexandros Karozas ist auch zu danken, dass er mit seinem Werk in
Erinnerung ruft, dass Griechenland für Besseres steht als für korrupte Bürokraten und verantwortungslose
Oligarchen
.
Gerald Jatzek
Wiener Zeitung, 2011
Das bessere Griechenland
Konstantínos P. Kaváfis (1863-1933) war ein Mann voller Widersprüche.
Er gilt als Wegbereiter der griechischen Moderne und war fast nie in
Griechenland. Er sprach wie ein Dandy und war die längste Zeit ein kleiner
Beamter. Er schrieb abseits der literarischen Szene seiner Zeit, veröffentlichte
wenig und galt dennoch schon zu Lebzeiten als großer Dichter.
Alexandros Karozas hat dem in seinem Kavafis Project Rechnung getragen.
Das beginnt bei der Instrumentierung seines erweiterten Oratoriums, in dem
das Santouri (kleinasiatisches Hackbrett) ebenso Platz hat wie die Gitarre,
die Tuba und die klassische Orchesterbesetzung mit besonderer Betonung
und klanglicher Bandbreite der Klarinette.
Der Dichter wandert auf seiner Straße, die ihn immer durch die Stadt führt,
durch den Mikrokosmos von Alexandria, wo sich die Geschichte dreier
Kontinente vereint, und der Komponist folgt ihm dabei. Postmoderne bedeutet
hier nicht Beliebigkeit, sondern das kaleidoskopartige Zusammensetzen so
unterschiedlicher Traditionen wie Schostakowitsch, orthodoxer Kirchenmusik,
Weill und Theodorakis, der wohl einmal zitiert wird.
“Alexandros Karozas ist auch zu danken, dass er mit seinem Werk in Erinnerung ruft, dass Griechenland
für Besseres steht als für korrupte Bürokraten und verantwortungslose Oligarchen.”